„Schwarzhörern" empfiehlt STEREO
monatlich die besten Schallplatten
des „Schwarzmarktes"
Dean M a rtin
THIS TIME, I’M SWINGIN’ !
MFSL, sieveking-sound.de LP
Als Musiker stand er, gewiss nicht
zu Unrecht, stets im Schatten von
Frank Sinatra. Doch auf dieser
Capitol-Scheibe von i
960
beweist
Dean Martin, dass er viel mehr war
als nur die launig-angeheiterte
Spaßkanone des „Rat Packs“.
Wie er etwa neben den anderen
elf Titeln der leichten Muse die
beiden aus dem Musical „My Fair
Lady“ mit lockerer Attitüde zum
Swingen bringt, damit muss er sich
nicht verstecken. Überhaupt gab
das nun als vom Originalband ge-
masterte MFSL-Reissue erhältliche
Album auch in seinen ruhigeren
Nummern mit unbeschwerter At-
mosphäre einen optimistischen
Vorgeschmack auf die goldenen
60
er. Einen ebenso großen Anteil
am gelungenen Swing-Projekt hat
Nelson Riddle mit seinem Orches-
ter, der hier keineswegs nur das
musikalische Gewand für Martins
Performance lieferte. Schließlich
schrieb Riddle die Arrangements,
setzte diese kongenial um und ach-
tete darauf, dass der Sänger nicht
ins Schmalzige abglitt. Da konnte
„Dino“ wohl gar nicht anders, als
augenzwinkernd mitzuswingen.
Matthias Böde
Stevie Ray Vaughan
TEXAS HURRICANE
Analogue Productions/Speakers Comet 6 LPs,
(Preis: zirka
300
Euro), dacapo-records.de
Als „kleiner Bruder“ von Fabulous
Thunderbird Jimmie Vaughan ei-
ferte Stevie Ray teilweise Ikonen
des Texas Blues wie Freddie King
und T-Bone nach und verhehlte nie
seine Bewunderung für Vorbilder
aus England (Clapton, Beck). Sein
großes Idol aber war Jimi Hendrix,
an dem er sich förmlich abarbeite-
te. Weil ein blendender Stilist und
als Virtuose an seinem Instrument
aufgefallen, engagierte David Bo-
wie ihn nach dem i
982
er-Auftritt
in Montreux sofort für die Sessions
zu „Let’s Dance“. Jackson Brownes
Angebot, das Debüt in dessen
Studio aufzunehmen, nahm er
dankbar an. Das spielten sie dort
auch in wenigen Tagen ein, obwohl
sich noch keine Plattenfirma für
sie interessierte. Denn Anfang der
8
oer-Jahre war bei der Plattenin-
dustrie Blues definitiv ,out‘, wenn
man nicht gerade Eric Clapton hieß
und mit der Doppel-LP „Just One
Night“ einen grandiosen Konzert-
mitschnitt hinlegte, der sich allein
in den USA mehr als sechs Millio-
nen Mal verkaufte!
Aber da war ja noch John Ham-
mond sr. mit seinem nach Jahr-
zehnten intakten Gespür für große
Talente. Der vermittelte die Band
an Epic Records. Dass sein Protege
nach spektakulären frühen Erfol-
gen in einer elenden Alkohol- und
Drogenkarriere versinken würde,
konnte er nicht ahnen.
1986
mehr
tot als lebendig, halfen ihm die
Band und Freunde beim Entzug,
wieder zu Verstand und alter Form
zu kommen. „The Sky Is Crying“,
die letzte von sechs Studio-LPs in
diesem Box Set, ist eine Samm-
lung von Outtakes: Am
27
. August
1990
kam der Gitarrist bei einem
Hubschrauberabsturz ums Leben.
Auf Mitschnitte verzichtete man
bei dieser Werkschau komplett,
allerdings auch auf Probe-Sessions
wie die mit dem „Little Wings/Third
Stone From The Sun“-Medley des
Hendrix-Fans SRV. Nachdem schon
diverse LPs mehrfach auf Vinyl und
s t e v i e r a y
frAUGHAÄ
JJjDDOUBIETOOubi,
TEXAS
hurricane
N E U E S A U F V I N Y L
SACD wiederveröffentlicht wurden,
wollte man hier das Studio-Ver-
mächtnis nicht absolut komplett
präsentieren. Gar nicht ängstlich
wählte man den Überspielpegel,
ohne deswegen Probleme zu be-
fürchten. Denn SRV war nie Fan von
extrem verzerrter Gitarre gewesen.
Und die für den Mix zuständigen
Tonleute
waren
offensichtlich
so erfahrene Profis, dass sie bei
der Abmischung von Bass und
Schlagzeug keinerlei Absurditä-
ten riskierten, die extreme Rillen-
auslenkungen produziert hätten.
Mit ausführlichen Liner Notes ist
das hier offenbar als Sammlerteil
für Fans gedacht, die der Texas
Blues-Legende immer noch nach-
trauern - auch ob all der Platten,
die er nie mehr machte.
Franz Schöler
Black Keys
TURN BLUE
Nonesuch LP, erhältlich bei vinylkatalog.de
Lassen Sie sich vom Cover nicht
verwirren: So psychedelisch und
drogenaffin, wie es die Hülle ver-
muten lässt, ist die Musik denn
doch nicht. Die Künstler Dan
Auerbach
und
Patrick Carney,
die sich hinter den Black Keys
verbergen, haben sich an allen
möglichen Orten der Rockmusik
umgeschaut, in der Konsequenz
aber etwas Neues, Einzigartiges
geschaffen. Den Albumtitel „Turn
Blue“ darf man als leicht umzuset-
zende Aufforderung interpretieren,
denn Gute-Laune-Musik hatten die
beiden ganz sicher nicht im Sinn.
Dem Sog der elf Stücke vermag
man sich dennoch kaum zu ent-
ziehen. Die Mischung aus weißen
Blues-Versatzstücken der
1960
er-
Jahre und modernen, eingängigen,
aber nie einfältigen Melodie- und
Harmonielinien zeigt Alternativen
zu Jack Whites Ansatz für die mu-
sikalische (Bluesrock-)Moderne
auf. Der Spannungsbogen dieser
wunderbaren
Indie-Produktion
trägt über die gesamte Spieldau-
er, auch Mainstream-Hörer sollten
einen Versuch wagen.
Leider ist die Aufnahmequalität
aus audiophiler Sicht bestenfalls
Durchschnitt. Der LP, die sauber
und plan gepresst ist, liegt noch
eine CD bei, außerdem ein Poster
mit dem Coverbild. Vermisst wurde
ein Textblatt, die Sangesbotschaf-
ten sind naturgemäß nicht immer
lückenlos zu verstehen.
Michael Lang
Paolo Conte
CONCERTI
Fone
2
LPs, erhältlich bei dacapo-tecotds.de
Woran erkennt man eine Produk-
tion für die audiophile Hörerschaft?
Daran, dass die Liste des einge-
setzten technischen Equipments
ebenso lang ist wie die der musi-
kalischen Angaben. In dem Punkt
macht diese Doppel-LP mit Aus-
schnitten aus drei Konzerten des
italienischen Entertainers Paolo
Conte aus dem Jahr
1985
keine
Ausnahme. Genüsslich zählt das
Cover viele Details und Vorzüge von
der Aufnahme über den inklusive
der Kabel optimierten Schnitt bis
hin zur makellosen Pressung in
180
-Gramm-Scheiben auf. Eine
Besonderheit ist, dass Fone-Chef
„Signoricci“ nicht wie üblich selbst
aufnahm, sondern auf Bänder von
Warner Music Italia zurückgriff und
damit ins Reissue-Business ein-
steigt. Die Halbspurbänder wurden
klanglich behutsam überarbeitet
und von Riccis Ampex-Maschine
ATR
-102
mit
76
cm/sec. sorgfältig
auf Lackfolien übertragen.
Die
vollanaloge
Produktion
strahlt genau diese Aura sowie
echtes Live-Feeling aus. Zwischen
den Lautsprechern öffnet sich die
Bühne, und man hat teil an den
knapp
30
Jahre zurückliegenden
Auftritten von Conte und seiner
Band. Es waren Abende zwischen
Eleganz, Nachdenklichkeit und ita-
lienischen Momenten, die in diesen
Schallplatten eine angemessene
Form finden.
Matthias Böde
STEREO 9/2014 117
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